.



.





.

7/29/2009

Uruguay muss man selbst entdecken

.





Uruguay muss man selbst entdecken



















Wenn einer eine Reise plant, soll er anschließend einem elitären Kreis möglichst viele Informationen liefern. Mit diesem Auftrag werden häufig potentielle Auswanderer von der Familie ebenso wie von lieben Chat- und Forenfreunden auf den Weg in den Urlaub oder in die möglicherweise künftige Heimat verabschiedet.



Lassen sich die einen sogar hierbei von einem Fernsehteam begleiten und müssen sich so in keiner Weise um die Dokumentation ihrer Stationen kümmern, stehen andere allein auf weiter Flur und haben ihre Mühe mit der Sortierung und Handhabung unzähliger Ungereimtheiten und Fremdartigkeiten.




Zur Vorbeugung möglicher Einsamkeitsgefühle werden dann schon mal Monate im voraus Blinddates vereinbart und virtuelle Kontakte aktiviert. Sicher ist sicher, denn die Informationen zu und über Uruguay werden immer fadenscheiniger.




Die einschlägigen Auskunfteien thematisieren lieber andere Länder oder pusten seitenlang eine Luftblase auf, die den Untergang des inhaltslosen Schiffes hinaus zögern soll. Bei anderen Informationsquellen hat schon längst der Letzte das Licht ausgeschaltet und es stehen nur noch ein veraltetes Archiv und ein paar Individualrezepte zur Verfügung. Der uruguayische Restaurantführer ist spannender.




Mit dem Druck im Nacken, umgehend nach Rückkehr einen zerreißbaren Lustfahrtbericht abzuliefern, macht sich der meist unfreiwillig Beauftragte auf die Reise und freut sich eigentlich nur unbändig auf seinen ersten chlorhaltigen Whisky auf uruguayischem Boden.




Aber an wen soll sich denn nun der Wissensdurstige wenden, um möglichst viele Auftragsfragen bei Rückkehr beantworten zu können? Und von wem bekommt er objektive und uneingefärbte Antworten?



Die Mehrheit der schon Ausgewanderten ist mit sich und dem täglichen Alltag beschäftigt und hat selten Lust, in Gesprächen mit Newcomern immer wieder von den eigenen Anfängerfehlern zu berichten und sich warteschleifenmäßig zu wiederholen. Irgendwann möchte jeder mit Vergangenem abzuschließen.




Alternativ wären noch die zu befragen, die immer und generell alles ganz genau und besser wissen und jeder noch so harmlosen oder alltäglichen Aussage beziehungsweise Frage zwanghaft ihren persönlichen Punkt hinzufügen müssen.




Vor Ort können Sie natürlich Gespräche mit den Uruguayern führen. Diese müssten ja eigentlich auf alle Fragen eine Antwort parat haben. Die Ausführungen sind oft super, sollten jedoch nicht verallgemeinert werden. Es treffen südamerikanische Lebensart, Kultur und Lebensphilosophie auf deutsche Tugenden. Der Schuh passt also nicht jedem und ist auch nicht für alle Spielarten geeignet.




Liegt es nur daran, dass Uruguay nicht zu den klassischen Auswander- und Urlaubsländern zählt oder unspektakulär ist? Eine nette Theorie, aber komplett am Thema vorbei. Es gibt eine ganze Reihe ähnlicher Ziele auf dem Globus, über die in einem Monat mehr berichtet wird, als über Uruguay innerhalb eines Jahres.



Selbstverständlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht und bin zu einer Erklärung gelangt. Damit möchte ich aber niemanden langweilen.




Was bleibt also?




Sie selbst! Fremde Länder wurden schon immer bereist oder als neues Lebensland gewählt. Virtuelle Sofortinformationen gibt es aber erst seit rund einem viertel Jahrhundert. Die wertvollsten Eindrücke können Sie nur dann mit nach Hause nehmen, wenn Sie die positiven, aber auch negativen Aspekte selbst live erlebt haben.



Mich langweilen Menschen recht schnell, die nur das Leben anderer nachleben wollen oder unselbständig und pedantisch stumpfe Phantasienägel ohne Köpfe über Jahre hinweg mutlos mit Gegenargumentationspaste polieren.

© VINTAGE






.




.






7/18/2009

Einwanderungshelfer Uruguay

.





Sicherheit vor Gutgläubigkeit
















Das Mütter in einer Person liebevolle Fürsorgerinnen, Hausfrauen und Parkettkosmetikerinnen, Kranken- und Sozialschwestern, Psychologinnen und Erzieherinnen, Animateurinnen und Chauffeurinnen, Pädagoginnen und neben zig anderen Jobs im günstigsten Fall auch noch sexy Ehefrauen und Geliebte sind und sein sollten, hat die Zeit mit sich gebracht.




Auch gibt es Berufe, bei denen sich die Fähigkeiten und Talente überschneiden, sich aber dennoch nicht beißen. Viele Maurer können beispielsweise auch Wände verputzen und tapezieren. Und etliche Friseure haben eine Zusatzausbildung für die Bereiche Maniküre und Pediküre sowie Farb- und Stilberatung.




Aber, um Himmels Willen, welcher Immobilienmakler ist zeitgleich Autofachverkäufer oder Sozialarbeiter? Wohl möglich sogar noch Finanzguru, Schulexperte oder Verwaltungsfachmann??




Früher hieß es immer so sinnig „Wer nichts wird, wird Wirt“. Einige Zeit später wurde diese Aussage erweitert auf „Wer nichts wird, verkauft Versicherungen oder Immobilien“.




Fällt Ihnen etwas auf? Genau diese Gebiete werden primär von all den Menschen gehätschelt und getätschelt, die sich in Uruguay als Einwanderungshelfer anbiedern und verdingen. Sie können und wissen alles. Sie kennen sich mit jeder Besonderheit der individuellen Einwanderung aus, sind medizinische Berater, geben Erklärungen zur Bodenbeschaffenheit ebenso ab, wie zur Bausubstanz bestehender Immobilien.



Auch kennen sie jedes Ihrer Kinder so genau, dass sie hundertprozentig sicher wissen, welche Schule für Ihren Liebling in Frage kommt und vermitteln Ihnen für eine satte Provision nebenbei noch ein Auto mit genauester technischer Beschreibung, damit die Kleinen auch sicher in der Bildungseinrichtung ankommen. Sie können Brot backen, präsentieren sich als Googlehupf-Autoritäten, sind über die Lebensphilosophien ihrer Klientel ebenso umfassend informiert, wie über nationale und internationale politische Entwicklungen und leiern sogar alle Straßennamen des Landes inklusive der Sehenswichtigkeiten in ihren virtuellen Selbstdarstellungspausen á la „Festgemauert in der Erden...“ herunter.




Ich habe Angst vor Genies. Sie sind mir mindestens so unheimlich, wie seinerzeit Anthony Perkins in „Psycho“, Fußwarzen, der seit Jahrzehnten prognostizierte und besungene Weltuntergang oder Altfett für Pommes.



Echt – ich weiß wovon ich rede und gebe es unumwunden zu. Ich hatte irgendwann auch einmal mit dieser Gattung zu tun und war naiv. Ich habe geglaubt, was mir erzählt wurde und musste anschließend für meine Arglosigkeit mehrfach in harter sowie idealistischer Währung bezahlen.




Inzwischen entscheide ich viele Dinge des Lebens nicht ohne (m)einen verlässlichen Anwalt und fahre prima, vor allem kalkulierbar, damit. Wenn es wichtig ist, begleitet er mich Bodyguard mäßig auf Tritt und Schritt, übernimmt die Gesprächsführung und sorgt dafür, dass ich nicht übervorteilt werde. Auch kümmert er sich pedantisch um komplizierte Dokumente, sowie um jene Obliegenheiten, bei denen fachliche Kompetenz zum Ergebnis führt. Diese selbstverständliche, eigentlich normale und vorher fixierte Dienstleistung gewährt er aber nicht nur mir, sondern inzwischen auch einer Reihe anderer deutschsprachiger Auswanderer, die so intelligent sind, meine Anfängerfehler nicht krampfhaft wiederholen zu wollen.



Ich bin keinesfalls unselbständig und von anderen Menschen abhängig. Auch finde ich den Gedanken, mit einer Schrotflinte auf der Veranda im Schaukelstuhl sitzend der Dinge zu harren, die da kommen mögen, vorwiegend putzig, möchte aber meine Zeit grundsätzlich damit nicht vergeuden.




Ende gut, alles gut: ein Haus und ein Auto habe ich trotz auferlegtem Schwarzmagie-Fluch ohne die preistreibende Mitwirkung eines geschmeidigen Allrounders mit mangelnder Berufsausbildung gefunden und die letzten, aber wichtigsten Einwanderungsmodalitäten wurden auf meinen Wunsch zukunftsweisend korrekt und ohne illegale Gefälligkeitsdienste irgendwelcher berufsenthobener Pseudonotare bearbeitet und genehmigt.



Ein gutes Gefühl – jetzt schmeckt der Cappuccino auf der eigenen Terrasse und nach Art des Hauses gleich noch einmal so beruhigend…





@ VINTAGE






P.S.



Kennen Sie zufällig diese Verse?




Der Googlehupf zum Einwanderer sprach:
Es ist doch eine tiefe Schmach,
dass wir einander so sehr gleichen
ich möchte gar nicht von dir weichen.



Der Eingewanderte ein Mann von Tat,
tat worum der Hupf ihn bat
und öffnete den weiten Mund
und zwang den Hupf in seinen Schlund.



So waren zwei in sich vereint,
bis der Hupf erneut erscheint,
am anderen End’ erblickt er Licht
vereint waren beide länger nicht.


* Urheber der Originalfassung unbekannt






.













7/12/2009

Uruguay - Helden

.




Helden sind vergänglich...












Als Kinder haben wir mit Helden gebibbert, ihre Abenteuer mit glühenden Wangen verfolgt und wären zu gern auch Pipi Langstrumpf, Lederstrumpf oder Spiderman gewesen. Es ist aber nicht so simple, ein Held zu werden. Und kompliziert wird es, den vorbildlichen Lorbeerkranz in die Ewigkeit glorreich mitzunehmen.




Geschichten über historische Charaktere gibt es mehr, als wir alle ver- und ertragen können. Antiquariate sind voll davon, das Internet quillt über, Schüler werden von unberechenbaren Lehrergenerationen mit rühmlich-heroischen Jahreszahlen und Geburtsdaten gequält.



Dabei hat es sich inzwischen bis zum fast letzten Groupie herum gesprochen, dass sich diese Akteure nicht nur überlebt haben, sondern dass sie ihre Glorie fast ausschließlich durch hinzu gedichtete Glanztaten und die sich wiederholenden Jahrestage noch innehaben. Nicht nur zufällig wird ein Held auch als Haudegen und Streit- oder Kampfhahn bezeichnet.



Für das aktuelle Dasein und den täglichen Kampf um das Überleben eignen sich Abhandlungen, die stark an Autobahnstaus zur Urlaubszeit erinnern, und Mehrfachaufgüsse zu Schulabbrechern und Lassoschützen in der heutigen Zeit nicht mehr. Da können die Poesiealben- und Gebetsmühlenbildchen noch so gesegnet und wohl platziert sein – nur eine nicht messbare Interessengruppe quält sich aus Höflichkeit bis zum achten oder neunten Absatz.




Manch einer denkt, dass er ein wenig des Goldstaubs für sich erhaschen kann, wenn er seinen Fonds rund 65.000 unterschiedlich große Buchstaben und brave Platzhalter zu einem gestretchtem Thema entlockt hat, zu dem Google rund 3 Millionen Einträge liefert.




Freuen wir uns doch einfach über die vielen "Nationalheld"-Plätze und -Straßen bei Sonnenschein und über die künstlerisch unterschiedlichen Büsten, Monumente und Denkmäler, die den Tauben eine angenehme Landeplattform bescheren.






















Moderne und wahre Helden müssen sich nicht erst allmorgendlich durch einen Spiegelblick von ihrer Existenz überzeugen. Sie bedürfen auch keiner täglichen Selbstconchierung, um die Luftbläschen des Kopfinhalts auf ein Minimum zu reduzieren, den teilweise bitteren Beigeschmack ihrer Aktivität zu vertreiben und um sich selbst zu veredeln.



Heute bedarf es mehr, als nur schön, strahlend, sportlich und scheinbar unvergänglich zu sein. Ein Held muss waffenlos ohne Verbalentgleisungen das Siegertreppchen besteigen und dabei seine Interessen hinten anstellen. Erreicht er diesen Spiellevel nicht oder verzieht sich bei Widerständen in die Nanny-Schmoll-Ecke, landet er unweigerlich im Exil der Antihelden und Jammerer.



Echte Helden drängen nicht ins Rampenlicht. Sie agieren im Stillen. So auch unter vielen anderen die Helfer des Frauenhauses Casa de Salud de La Unión und der Frauenkommission der Stadt Montevideo, die sich seit Jahren gegen Gewalt gegen Frauen engagieren. Oder die Streetworker, die Tag für Tag Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und unverdrossen Perspektiven aufzeigen, obwohl sie viel zu oft auf Mauern der Ablehnung stoßen.




Der französische Dichter Romain Rollande formulierte die Definition „Held“ so: „Der Held ist jemand, der tut, was er kann. Die Anderen tun dies nicht.“



Und es ist so einfach und bedarf so wenig, auch in Uruguay hin und wieder ein kleiner Held, wenn auch ohne Lorbeerkranz und Schleife, zu sein. Wer allerdings nur danach trachtet, in die Fußstapfen seines vermeintlichen Vorbildes zu treten, wird es nie überholen können und ewig Zweiter bleiben.




© VINTAGE


Artigas




.


7/07/2009

Uruguay - Internet-Foren

.







Foren zu Uruguay, jedem Hobby und der Welt...










Tante-Emma-Läden gibt es in Europa kaum noch, das Büdchen an der Ecke musste längst der U-Bahn-Trasse weichen und auf den Wochenmarkt traut sich kaum noch jemand, seitdem die Discounter ihr Obst- und Gemüsesortiment auf Dumping-Preis-Bio umgestellt haben. Die beliebten Treffpunkte zum Klönen und Ratschen gehören der Vergangenheit an und die Hemmschwelle zum hinnehmbaren Ton ist zur Ruine degradiert.

Dafür bestimmt das Internet das Leben und hätschelt nicht nur die Ja-Sager und Vorredner-Abwarter, sondern lässt auch so manch einen die Tasten strapazieren, der vor Tante Emma genierlich kaum mehr als ein gehauchtes „Guten Tag!“ hervorbrachte.

Ohne Mimik, Betonung und sichtbare Gesten lebt es sich fast regelfrei und paradiesisch. Der Nick macht es möglich und ist sogar vielfach mit dem ‚Nikolaus anonymous’ infiziert. Der Einzelne hinter der Mattscheibe – Entschuldigung! … hinter dem Desktop klont sich durch Mehrfachregistrierung unzählige Male und beantwortet je nach Lust und Laune seine Fragen und Stats selbst.

Man bleibt ja letztlich anonym und das ausgefüllte Profil ein leeres Papier. Das Portrait ist uralt, die Daten selten nachvollziehbar und der Username steht kaum im Zusammenhang zur Person. Rühmliche Ausnahmen bilden Kundenfänger, die jede nutzbare Straßenbahn besteigen, um einen, wie auch immer gearteten, Eindruck zu hinterlassen.

Wenn es jedoch an die Vorratshaltung, also das Eingemachte, geht, dann wird auch schon gern einmal eine Adresse genutzt, die nicht direkt vor die eigene Gartenpforte führt. Egal – der Leser hat etwas Greifbares vor die Augen bekommen und freut sich. Seine Fragen wurden geschönt und gewinnträchtig beantwortet. Dabei spielt es keine Rolle mehr, dass unzählige Warnhinweise im Netz schnell auffindbar sind. Nein – das möchte der Leser gar nicht vernehmen und will es aus der weiten Ferne selten beurteilen, da er Gegenteiliges annimmt.

Aber irgendwann sind die relevanten Themen besprochen. Es gibt nichts Neues mehr. Dann müssen eben Weltprobleme gewälzt werden. Die haben so gar nichts mit dem Ursprung zu tun und man sucht händeringend und vergebens nach Zusammenhängen.

Eigentlich ist diese Form der Kommunikation doch viel besser. Man hat die Chance ungestraft zu schimpfen und zu verunglimpfen, Gerüchte in die Welt zu setzen und Unbeteiligte sowie Familienmitglieder zu denunzieren.

Bei den unmodernen Auge-in-Auge-Gesprächen war das nur bedingt möglich und erforderte eine außerordentliche Körperkontrolle. Wenn dann auch noch die Distanz weit genug ist, fällt, bei einer Persönlichkeit verletzenden Überspitzung, eine kleine Abmahnung seitens der User oder des Administrators kaum in die Waagschale. Unwichtig – den Frust, den Zorn auf die immer unverschuldete Ungerechtigkeit und die verbalen Ein- und Ausfälle ist man erst einmal zu später Stunde losgeworden. Danach konzentriert sich der Vollkommentator vorübergehend auf ein anderes Forum, um ein paar Tage oder Wochen später scheinbar reumütig, aber gänzlich ungeläutert, zur Beifall klatschenden Forengemeinde zurück zu kehren.

Dabei vergisst der Forennutzer in der Regel sehr schnell, welche Beweggründe ihn vormals auf diese oder jene Plattform geführt haben. Die ursprünglich wichtigen Fragen sind längst der allgemeinen Unterhaltung mit virtuellen Ständchenbringern gewichen und der unmerkliche Internwechsel von einem Länderinformationsportal zu einer globalen Altrockergang wurde nicht einmal bemerkt.

Sie sind ein Mitglied und haben Zuhörer und Mitleser - das alleine zählt!

Vielleicht wurde Ihnen aber auch die Moderation eines Forums angetragen und Sie leben nun diese Auszeichnung ebenso, wie Sie irgendwo auf der Welt jährlich für ein paar Tage in die Uniform des örtlichen Schützenvereins, der Freiwilligen Feuerwehr oder des Kirchenchors schlüpfen.

Genau – endlich können Sie bestimmen, wie es wo lang geht!

© VINTAGE



.