Foren zu Uruguay, jedem Hobby und der Welt...
Tante-Emma-Läden gibt es in Europa kaum noch, das Büdchen an der Ecke musste längst der U-Bahn-Trasse weichen und auf den Wochenmarkt traut sich kaum noch jemand, seitdem die Discounter ihr Obst- und Gemüsesortiment auf Dumping-Preis-Bio umgestellt haben. Die beliebten Treffpunkte zum Klönen und Ratschen gehören der Vergangenheit an und die Hemmschwelle zum hinnehmbaren Ton ist zur Ruine degradiert.
Dafür bestimmt das Internet das Leben und hätschelt nicht nur die Ja-Sager und Vorredner-Abwarter, sondern lässt auch so manch einen die Tasten strapazieren, der vor Tante Emma genierlich kaum mehr als ein gehauchtes „Guten Tag!“ hervorbrachte.
Ohne Mimik, Betonung und sichtbare Gesten lebt es sich fast regelfrei und paradiesisch. Der Nick macht es möglich und ist sogar vielfach mit dem ‚Nikolaus anonymous’ infiziert. Der Einzelne hinter der Mattscheibe – Entschuldigung! … hinter dem Desktop klont sich durch Mehrfachregistrierung unzählige Male und beantwortet je nach Lust und Laune seine Fragen und Stats selbst.
Man bleibt ja letztlich anonym und das ausgefüllte Profil ein leeres Papier. Das Portrait ist uralt, die Daten selten nachvollziehbar und der Username steht kaum im Zusammenhang zur Person. Rühmliche Ausnahmen bilden Kundenfänger, die jede nutzbare Straßenbahn besteigen, um einen, wie auch immer gearteten, Eindruck zu hinterlassen.
Wenn es jedoch an die Vorratshaltung, also das Eingemachte, geht, dann wird auch schon gern einmal eine Adresse genutzt, die nicht direkt vor die eigene Gartenpforte führt. Egal – der Leser hat etwas Greifbares vor die Augen bekommen und freut sich. Seine Fragen wurden geschönt und gewinnträchtig beantwortet. Dabei spielt es keine Rolle mehr, dass unzählige Warnhinweise im Netz schnell auffindbar sind. Nein – das möchte der Leser gar nicht vernehmen und will es aus der weiten Ferne selten beurteilen, da er Gegenteiliges annimmt.
Aber irgendwann sind die relevanten Themen besprochen. Es gibt nichts Neues mehr. Dann müssen eben Weltprobleme gewälzt werden. Die haben so gar nichts mit dem Ursprung zu tun und man sucht händeringend und vergebens nach Zusammenhängen.
Eigentlich ist diese Form der Kommunikation doch viel besser. Man hat die Chance ungestraft zu schimpfen und zu verunglimpfen, Gerüchte in die Welt zu setzen und Unbeteiligte sowie Familienmitglieder zu denunzieren.
Bei den unmodernen Auge-in-Auge-Gesprächen war das nur bedingt möglich und erforderte eine außerordentliche Körperkontrolle. Wenn dann auch noch die Distanz weit genug ist, fällt, bei einer Persönlichkeit verletzenden Überspitzung, eine kleine Abmahnung seitens der User oder des Administrators kaum in die Waagschale. Unwichtig – den Frust, den Zorn auf die immer unverschuldete Ungerechtigkeit und die verbalen Ein- und Ausfälle ist man erst einmal zu später Stunde losgeworden. Danach konzentriert sich der Vollkommentator vorübergehend auf ein anderes Forum, um ein paar Tage oder Wochen später scheinbar reumütig, aber gänzlich ungeläutert, zur Beifall klatschenden Forengemeinde zurück zu kehren.
Dabei vergisst der Forennutzer in der Regel sehr schnell, welche Beweggründe ihn vormals auf diese oder jene Plattform geführt haben. Die ursprünglich wichtigen Fragen sind längst der allgemeinen Unterhaltung mit virtuellen Ständchenbringern gewichen und der unmerkliche Internwechsel von einem Länderinformationsportal zu einer globalen Altrockergang wurde nicht einmal bemerkt.
Sie sind ein Mitglied und haben Zuhörer und Mitleser - das alleine zählt!
Vielleicht wurde Ihnen aber auch die Moderation eines Forums angetragen und Sie leben nun diese Auszeichnung ebenso, wie Sie irgendwo auf der Welt jährlich für ein paar Tage in die Uniform des örtlichen Schützenvereins, der Freiwilligen Feuerwehr oder des Kirchenchors schlüpfen.
Genau – endlich können Sie bestimmen, wie es wo lang geht!
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